Die Vater-Kind-Beziehung
Vermutlich haben Sie bereits in der Schwangerschaft versucht, eine Beziehung zum Baby aufzubauen. Jetzt, wo Ihr Kind auf der Welt ist, geht es mit dem gegenseitigen Kennenlernen aber so richtig los.
So klein und hilflos Ihr neugeborenes Baby noch sein mag: Es ist jetzt schon eine kleine Persönlichkeit mit vielen Charaktereigenschaften, die sich bald einmal bemerkbar machen. Indem Sie sich von Anfang an um Ihr Kind kümmern, legen Sie den Grundstein für eine tragfähige Vater-Kind-Beziehung, die sich zwar immer wieder wandelt, aber ganz bestimmt nie langweilig wird.
Mutter und Baby: Wo habe ich als Vater da Platz?
In den ersten Wochen nach der Geburt vertieft sich die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind, die bereits in der Schwangerschaft begonnen hat. Beim Stillen, Wickeln, in den Schlaf wiegen, Trösten und Herumtragen erfährt das Neugeborene, wie sich die Mutter zuverlässig um es kümmert. Es entwickelt das sogenannte Urvertrauen, das ihm ein Leben lang Sicherheit bietet. Diese Zeit ist auch für Ihre Partnerin enorm wichtig, denn sie lernt dabei, die Signale des Babys zu deuten, sodass sie immer besser weiss, was es gerade braucht.
Für Sie als Vater bedeutet dies jedoch nicht, dass Sie im Wochenbett nur dazu da sind, die Wohnung halbwegs sauber zu halten, Wäsche zu waschen, den Kühlschrank zu füllen und den Abfall rauszutragen. All dies ist zwar wichtig und für Ihre Partnerin eine enorme Entlastung. Ihr Baby soll aber auch immer wieder erfahren, wie liebevoll und fürsorglich Sie sich seiner Bedürfnisse annehmen. Es ist nämlich durchaus in der Lage, eine enge Bindung zu weiteren Bezugspersonen aufzubauen. Und eine der wichtigsten Bezugspersonen im Leben Ihres Kindes sind Sie. Indem Sie für Ihr Baby und Ihre Partnerin da sind, kann aus der innigen Zweierbeziehung zwischen Mutter und Kind allmählich eine tragfähige Dreierbeziehung werden, in der Sie Ihren festen Platz haben.
Es kann deshalb sinnvoll sein, Verwandte und Freunde um Hilfe im Haushalt zu bitten oder eine Haushalthilfe einzustellen. Ein möglichst leerer Terminkalender, gut geplante Besuchszeiten und eine gehörige Portion Gelassenheit in Sachen Chaos helfen Ihnen ebenfalls dabei, der Familie in der Wochenbettzeit den Vorrang zu geben.
Die Beziehung zum Baby aufbauen und stärken
Je grösser Ihr Kind wird, umso vielfältiger werden die Möglichkeiten, Ihre Beziehung zu gestalten. Hier einige Tipps, falls Sie zu Beginn noch nicht so recht wissen, wie Sie sich einbringen können:
Übernehmen Sie einen Teil der Babypflege. Baden, Wickeln, Anziehen und ins Bett bringen sind einerseits gute Gelegenheiten, um Ihr Baby kennenzulernen. Andererseits erlangen Sie dabei viel Sicherheit im Umgang mit Ihrem Kind. Dadurch sind Sie schon bald einmal in der Lage, sich eigenständig um seine Bedürfnisse zu kümmern. Dabei spielt es übrigens überhaupt keine Rolle, ob Sie jeden Handgriff genau gleich machen wie Ihre Partnerin oder nicht. Ihr Baby kommt mit solchen kleinen Unterschieden bestens klar - und solange es satt, sauber und liebevoll umsorgt ist, fallen auch zwei verschiedenfarbige Söckchen nicht ins Gewicht.
Entwickeln Sie Rituale, die Ihrem Baby Sicherheit vermitteln. Wenn Sie beispielsweise immer abends das Baden übernehmen oder eine Babymassage durchführen, gewöhnt es sich bald an diese ganz speziellen Zeiten mit Papa. Später kann dann das abendliche Vorlesen zu einer Sternstunde zwischen Ihnen und Ihrem Kind werden.
Kümmern Sie sich nicht nur dann um Ihr Baby, wenn es zufrieden und rundum gut versorgt ist. Geben Sie es jedes Mal der Mama ab, sobald es unruhig wird oder zu weinen beginnt, lernt es, dass nur sie es trösten kann. Es mag eine Weile dauern, bis es sich daran gewöhnt, in Ihren Armen wieder zur Ruhe zu kommen. Solche Erfahrungen sind jedoch ein wichtiger Baustein in einer immer tragfähigeren Vater-Kind-Beziehung. Und sie helfen, eine unfaire Arbeitsteilung zu verhindern, die sich allzu leicht einschleicht, wenn Ihre Partnerin bei jeder Unstimmigkeit einspringen muss: für Mama die Knochenarbeit und für Papa den Spass.
Väter spielen meist anders mit ihren Kindern als Mütter: wilder, bewegungsintensiver und abenteuerlicher. Die Spielzeiten mit Ihnen sind deshalb eine wichtige Erfahrung für Ihr Baby. Dabei gibt es eigentlich nur zwei Grundregeln, die Sie beachten müssen: Treiben Sie es nie so bunt, dass seine Sicherheit gefährdet ist. Und tollen Sie nicht ausgerechnet kurz vor dem Zubettgehen wild mit Ihrem Kind herum. Sonst kehrt nie Feierabend ein, weil es zu aufgedreht ist.
Schenken Sie Ihrem Kind immer mal wieder Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit - insbesondere, wenn Sie nur wenig Zeit mit ihm verbringen können. Dies hilft, selbst in der grössten Alltagshektik den Faden zwischen Ihnen beiden nie abreissen zu lassen.
Was tun, wenn es mit der Aufgabenteilung harzt?
Manchen Müttern fällt es zu Beginn schwer, den Vater machen zu lassen. Manche Väter wiederum trauen sich anfangs nicht recht, sich aktiv um das Kind zu kümmern, weil sie denken, die Mutter könne das ohnehin besser. Und weil Sie als Eltern gerade so viel Neues aufs Mal lernen müssen, fühlt es sich zuweilen einfacher an, wenn die Mama das Baby versorgt und der Papa das Drumherum erledigt.
Damit dies nicht zum eingeschliffenen Muster wird, tauschen Sie sich regelmässig darüber aus, wie Sie sich Ihre Elternrolle vorstellen, wo Sie bereits auf einem guten Weg sind und was sich in den Punkten ändern müsste, in denen es immer mal wieder zu Spannungen kommt.
Falls Ihre Partnerin über längere Zeit Mühe damit hat, Ihnen das Baby zu überlassen und Sie machen zu lassen, sprechen Sie das Thema in einem ruhigen Moment an. Decken Sie sie nicht mit Vorwürfen ein, sondern erklären Sie ihr, wie sich das für Sie anfühlt. Muttergefühle können so überwältigend sein, dass sich manche Frauen schwertun damit, ihr Baby jemand anderem anzuvertrauen - selbst dem Vater. In der Regel ändert sich dies wieder, wenn sich alles ein wenig eingespielt hat und Sie sich miteinander austauschen konnten, wie Sie Ihre Aufgaben aufteilen wollen. Vielleicht müssen Sie auch darüber reden, was es von Ihrer Seite braucht, damit sich Ihre Partnerin voll und ganz auf Sie verlassen kann.
In sehr seltenen Fällen kann es vorkommen, dass eine Mutter die eigenständige Beziehung zwischen Vater und Kind verhindert. Sie legt strenge und unflexible Regeln fest, wie mit dem Baby umzugehen ist und setzt Standards, die ausser ihr niemand einhalten kann. Diesem Verhalten kann eine Bindungsstörung zugrunde liegen. Um das Problem angehen zu können, benötigen Paare deshalb meist die Hilfe einer Fachperson.
Aber ich kann doch mit Babys gar nichts anfangen ...
Manche Väter argumentieren, es lohne sich nicht, wenn sie sich bereits in der Babyzeit einbringen, denn sie könnten mit den ganz Kleinen einfach nichts anfangen. So richtig spannend würde es erst, wenn die Knöpfe herumrennen und sprechen könnten.
Wenn Sie noch kaum mit Säuglingen zu tun hatten, bevor Sie selber Vater geworden sind, ist eine gewisse Unsicherheit ganz verständlich. Geben Sie Ihrem Kind die Chance, Ihr Herz zu erobern, indem Sie trotzdem viel Zeit mit ihm verbringen. Vielleicht braucht es nur ein erstes zahnloses Lächeln, um Ihnen zu zeigen, wie toll Babys sind.
Möglicherweise bleiben Sie trotz der gemeinsam verbrachten Zeit bei der Einschätzung, dass Sie grössere Kinder spannender finden. Das soll Sie aber nicht daran hindern, sich um Ihr jetzt noch ganz kleines Kind zu kümmern. Denn erstens gehört das zum Elternsein einfach dazu. Zweitens findet Ihr Baby Sie ungemein interessant und es freut sich, wenn Sie ihm Zuwendung schenken. Und drittens hilft die frühe Erfahrung, dass auf Papa Verlass ist, Ihrem Kind dabei, Ihnen voll und ganz zu vertrauen, wenn Sie später miteinander grosse Abenteuer in Angriff nehmen wollen.